18-mal Herz und Hirn

Weimar, die Stadt der Kunst und Kultur. Der 21. Dezember 2024. Die Luft der Innenstadt, gefüllt vom Duft der Essens- und Getränkehütten und dem Amüsement der Vorweihnachtszeit. Das Highlight des Abends fand sich jedoch, entfernt vom wilden Getose und Gelächter, in der Redoute des Deutschen Nationaltheaters statt:

„dumme Jahre“ von Thomas Freyer aus Gera… zuerst nicht wirklich vielsagend, doch beim Betreten des Saals bereits eine Überraschung. Sobald die Uraufführung begann, wurde klar, dass es sich nicht um ein konventionelles Theaterstück handelt, sondern um eine spektakuläre, neue Art der Bühne, die Zuschauenden links und rechts, das Geschehen zentral.

Durch das Aufbrechen des Zuschauerraums, der Rolle des Publikums als integraler Bestandteil des Stücks und dem Vermischen und Spielen mit sämtlichen Kunstformen wurde das Genre des herkömmlichen Theaters gänzlich gesprengt: Musik, Tanz, Lyrik, Epik, Dramatik… alles vereint zu einer liebevollen, emotionalen und verstandesbetonten Theater-Masse.

Trotz des minimalistischen Gebrauchs von Requisiten und deren Umfunktionierung oder symbolistischen Darstellung war in keiner Weise „Unterhaltung“ die gewollte Anregung des Abends: Durchzogen von Systemkritik der Nachkriegszeit und der deutsch-deutschen Geschichte, unter Dominanz der geschichtlichen Zeitzonen 1968, 1989 und 2024, eine gewisse Regionalität war spürbar und gewollt und damit Identifikation möglich. Eine ostdeutsche Familie; Einbindung nostalgischer Elemente wie Moped, Muttiheft und Co.; aber dennoch überregional und unzeitlich. Alles vereint, zeugt es von wahrhaftigem Respekt und kluger Annäherung an die Lebenswirklichkeit der Zuschauer.

Ebenso die Aktivierung der psychologischen Ebene durch zeitlose Fragestellungen wie dem Glück des Lebens und der Möglichkeit des Weiterlebens nach dem Tod. Besonders am aufarbeitenden, politisch mehrdimensionalen weiblichen Haupt-Charakter des Stückes war eine präzise historische Recherche unter Einbindung aktueller Intellektueller erkennbar. Und genau „Das“ bedarf „dumme Jahre“: Intelligenz und Hintergrundwissen. Und vor allem einen Geist, welcher kritisch und perspektivisch eigene Deutungen und Sichten entwickeln kann. Nur so ist die Komplexität des Werkes greifbar.

Eine wundervolle Darstellung der Geschichte aus Sicht einer Frau, welche ihren demenzkranken Mann pflegt. Und wahrlich ein absolut planvolles und positiv anspruchsvollen Werk… ein Theaterstück, zu bezeichnen als Erbe Bertolt Brechts.

Stella Kathert, 12a

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