Steine, öde, karg, kein Baum, kein Strauch…. Auf was haben wir uns eingelassen?
Nachdem sich unsere armenischen Schülerpartner der Mesrop Maschtots Schule im Herbst 2023 zu uns zum Burgenland-Gymnasium Laucha gewagt haben, brechen wir nun auf zum Gegenbesuch in den Kaukasus, nach Jerewan.
Wir, das sind Herr Tischner, unser Reiseleiter, Ben, Kurt, Martin, Jette und Josi
aus der 10. Klasse, Marie und Matthea aus der 9. Klasse sowie
Pauline und Amalia aus der 8. Klasse.
Am 27. Mai 2024 treffen wir uns am Flughafen in Leipzig. 19.25 Uhr hebt das Flugzeug ab. Mit einem Zwischenstopp in Wien geht es in Richtung Jerewan. Die Landung erfolgt pünktlich 02.34 Uhr am Flughafen Zwartnots in Armenien. Fast dreitausend Kilometer trennen uns von der Heimat. Wir stellen die Uhren zwei Stunden vor. Unsere armenischen Freunde sind schon in Sicht, sie winken aus der Ferne und grüßen mit einem großen Blumenstrauß.
Jetzt beginnt die Aufregung. Wie wird die Unterkunft sein, können wir uns verständigen, schmeckt uns das Essen, …? Es ist noch dunkel, einige Lichter des Großstadtlebens blitzen hier und da. Die Gastfamilien sind überaus herzlich, Behaglichkeit breitet sich aus. Übermüdet fallen wir ins Bett, schließlich müssen wir die zwei Stunden Zeitverschiebung aufholen.
14.00 Uhr sind wir verabredet zu einer Rally durch die Stadt. Auf geht es quer durch Jerewan, eine der ältesten Städte der Welt. Die ersten Eindrücke sind enorm, entlang der Prachtstraße mit vielen massiven Bauten. Nach armenischer Tradition sind sie mit rötlichem oder gelblichem Tuffstein gebaut. Vorbei an der neuerbauten Apostolischen Kirche, am Opernhaus und dem kleinen Schwanenteich finden wir die Kaskaden. Hier geht es weit in die Höhe mit vielen Treppenstufen. Rechts und links zum Verschnaufen sind Wasserspiele. Von oben haben wir einen herrlichen Blick über die Stadt. In der Ferne erhebt sich majestätisch der Ararat. Er wirkt wie ein prachtvoller Stein mit einer weißen Spitze. Der Berg befindet sich bereits auf türkischem Gebiet, aber für die Armenier ist er auch ein Wahrzeichen. Ein Stück weiter blicken wir auf ein riesiges Monument auf „Die Mutter Jerewans“. Sie steht über der Stadt wie eine Wächterin. Wir genießen eine Erfrischung, denn das Thermometer zeigt 27 Grad an. Hübsche kleine und große Geschäfte laden zum Ausgeben unserer ersten DRAM ein.
Am heutigen Tag, dem 29. Mai begrüßt uns sehr herzlich die Schulleiterin Frau Haratunyan und die Deutschlehrerin Frau Jedigaryan. Ein liebevoll hergerichtetes Buffet steht bereit. Die Schüler der Deutschklassen führen ein Programm auf. Gesang und Tanz mit armenischer und deutscher Kultur wechseln sich ab. Es gibt viel Applaus, auch für die Sprachkenntnisse. Bereits ab Klasse 3 wird hier Deutsch gelernt.
Am Nachmittag führt uns der Weg zu einem eher traurigen Ereignis. Wir besuchen die Genozid- Gedenkstätte, auch „Schwalbennest “ genannt. Das große Mahnmal mit der ewigen Flamme erinnert an die eineinhalb Millionen ermordeter Armenier durch das osmanische Reich im Jahre 1915. Jeder gedenkt mit einer Blume. Der Besuch des angrenzenden Museums zeigt uns durch viele Dokumentationen die Gräueltaten.
Die Sonne hier oben brennt heiß. Wir blicken in alle Himmelsrichtungen des Landes. Die Landschaft wirkt unendlich weit, traurig. Ist das wohl Absicht?
Das Handschriftenmuseum, Matenadaran, lenkt unsere Gedanken in eine andere Richtung. Diese Bibliothek ist nicht nur eines der schönsten Gebäude der Stadt, sie ist auch der Stolz der Armenier. Uralte Schriften lagern hier von einem unermesslichen Wert. Wissenschaftler aus der ganzen Welt kommen, um hier Studien zu betreiben.
Jetzt geht es zurück zur Gastfamilie. Wir machen uns frisch und kleiden uns entsprechend für den Besuch des Balletts „Schwanensee“ im Opernhaus. Die Vorführung ist ein Genuss, ein unvergessliches Erlebnis. Neben der Eleganz der Tänzer und der klassischen Musik bestaunen wir im Foyer zeitgenössische Kunst. Überwältigt von all dem Schönen, schlendern wir durch das nächtliche Jerewan. Noch ist Zeit für die Einkehr in ein Restaurant. Der Tag scheint in Armenien irgendwie länger.
Heute am 30.05.2024 geht es zu den wohl meistbesuchten Bauwerken Armeniens, zum Sonnentempel Garni und dem Höhlenkloster Geghard.
Unsere Fahrt führt uns aus den dicht besiedelten Jerewan hinaus in eine von der Sonne ausgetrocknete Landschaft. An den letzten Grashalmen erfreuen sich frei herumlaufende Kühe. Links und rechts können wir die prunkvollen Sommerresidenzen der wohlhabenden Armenier sehen. In der Ferne erscheinen kleine Dörfer und beim genauen Hinschauen kann man sogar Höhlensiedlungen erblicken.
Mit etwas Zeitverzögerung erreichen wir unser Ziel Garni. Liebevoll bieten Frauen aus den Dörfern ihre Waren an. Vom Fuchsfell, Wallnüssen in allen Varianten bis zur selbstgekochten Aprikosenkonfitüre können wir alles bekommen. Durch ein eisernes Tor gelangen wir zur Tempelanlage. Der Eintritt kostet übrigens keine 50 Cent. Als ob der Tempel uns erwartet, liegt er inmitten einer gepflegten Grünanlage. Wir steigen die steilen Stufen empor und schlängeln uns vorsichtig entlang der Säulen um das Bauwerk. Wie kommt ein Tempel im römischen Baustil nach Armenien, stellt sich uns die Frage? Legenden dazu gibt es mehrere. Ist es nun eine Grabstätte oder eine Sommerresidenz? Er ist jedenfalls ein Beweis dafür, dass die Römer hier einst den Boden betreten haben, denn auf dem Gelände haben Archäologen auch ein römisches Badehaus freigelegt.
Unser Blick schweift in die Tiefe und die Ferne zugleich. Vor uns liegt ein grünes Tal, ein Fluss schmiegt sich durch die Felsen. Können wird da hinab? Der Weg sieht beschwerlich aus, wir wagen es und werden belohnt. Hier hat der Fluss und sicher auch die Witterung Spuren in den Basaltblöcken hinterlassen. Wie von Steinmetzen behauen, ragt das steinerne Gebilde empor. Es gleicht einem Plisseerock, ein überwältigender Anblick.
Jetzt geht es weiter zum Höhlenkloster Geghard. Wie der Name schon sagt, haben einst Mönche in schwerer körperlicher Arbeit Höhlen in das vulkanische Gestein geschlagen. Zum einen als Behausung zum anderen diese einzigartige Klosteranlage. Wir begeben uns hinauf, vorbei an Händlern und Musikanten, die auf einheimischen Instrumenten spielen. In der Mitte der Klosteranlage entspringt eine Quelle. Wir trinken von dem Wasser, nicht nur wegen dem Durst, man spricht dem Wasser auch heilsame Kräfte zu. In der Kathedrale, mit dem kunstvollen Portal, zünden wir Kerzen an. Das ist hier der Brauch, auch, dass man die Kirche im Rückwärtsgang verlässt. Etwas erschöpft, schlendern wir individuell über das Gelände. Auf dem Heimweg wartet ein leckeres armenisches Essen auf uns.
Am Freitag, dem 31.05. 2024 steht eine Exkursion auf dem Plan. Der erste Anlaufpunkt ist Chor Virap. Ein Kloster nahe der türkischen Grenze. Von hier aus hat man einen direkten Blick auf den Berg Ararat. Er scheint zum Greifen nah. Ein Stacheldrahtzaun und Wachtürme trennen Armenien von der Türkei. In der Klosteranlage befindet sich ein Kerker. Der König hatte den heiligen Grigor hierher verbannt. 13 Jahre musste er hier ausharren. Nun können wir ausprobieren, wie sich das anfühlt. Zuerst zögerlich, aber dann wagen fast alle den Schritt in den unheimlichen Abgrund.
Danach fahren wir nach Edschmiatsin. Das ist der religiöse Mittelpunkt des armenischen Christentums. Hier ist der Sitz des Katholikos. Vielleicht zu vergleichen mit unserem Papst. Die Anlage ist sehr gepflegt. Blumenbeete, Kreuzsteine, ein Glockenturm und nicht zuletzt die Kathedrale fallen auf. Im Schatten der Bäume verschnaufen wir ein wenig.
Der Tag neigt sich noch nicht dem Ende. Der Weg führt in ein kleines Dorf. Wir können erleben wie das leckere armenische Fladenbrot gebacken wird. Tief in der Erde befindet sich ein aus Stein gemauerter Backofen. Mehrere Frauen sind an der Vorbereitung des Teiges beteiligt. Ein hauchdünn ausgerollter Teig wird letztendlich an die Innenwand des heißen Ofens geklatscht. Geschickte Hände entfernen das fertige Brot aus dem Ofen. Es ist leicht zu brechen, weil es frisch ist und wir essen es wie Kartoffelchips. Das Töpferhandwerk gehört hier zu den alten Traditionen, auch hier probieren wir uns aus.
Übervoll von Eindrücken des heutigen Tages stoppen wir auf der Rückfahrt nach Jerewan an einer alten Kirchenruine von Zwartnots. Diese Säulen mit den kunstvollen Kapitellen der einstigen Palastkirche sind lohnenswert anzuschauen. Schade, dass dieser Palast im Jahre 930 bei einem starken Erdbeben einstürzte.
Damit wir im Bus nicht einschlafen, singen wir gemeinsam Lieder.
Das Wochenende, 01. und 02. Juni 2024 verbringen wir individuell in den gastgebenden Familien. Manche fahren aufs Land zu den Großeltern, es wird gegrillt, erzählt, Musik gehört, man hat Spaß bei Sport, Spiel und Baden. In einem tollen angemieteten Haus verbringen wir den Sonntag. Natürlich lassen wir es uns nicht nehmen, das Finale des Fußballspiels der UEFA Champions League Borussia Dortmund und Real Madrid anzusehen. Es wird wieder ein langer Abend, denn die zwei Stunden Zeitumstellung machen sich bemerkbar. Entmutigt verlassen wir die Leinwand, denn Deutschland hat verloren.
Montag, dem 03.06. 2024 sind wir wieder startklar für ein neues Erlebnis. Heute geht es nach Oschakan. Das ist ein kleiner Ort umgeben von Weinbergen. Hier befindet sich das Grabmal von Mesrop Maschtots. Seinen Namen trägt unsere Partnerschule. Wer ist Mesrop Maschtots? Wie wir wissen, hat Armenien eine einzigartige Sprache und ein eigenes Alphabet, dessen Schöpfer der Mönch Mesrop Maschtots war. Im Jahre 440 starb der Heilige. Ihm zur Ehre errichtete man über seiner Gruft eine kleine Kapelle. Im angrenzenden Obstgarten stehen, in rotem Tuffstein gehauen, die armenischen Buchstaben aufgereiht. Alle sind eine Besonderheit und keiner gleicht dem anderen. Jeder von uns sucht seinen Anfangsbuchstaben und es wird fleißig fotografiert. Jetzt ist uns klar, warum die Armenier stolz auf ihren Mesrop Maschtots sind und die Schule mit Würde seinen Namen trägt.
Unser Tag wird abgerundet mit einer Fahrt durch die weite Landschaft Armeniens. Weinberge, karge Hügel und einsame Dörfer wechseln sich ab. Wir halten in einem kleinen Ort, Sagmosavank. Hier genießen wir den Ausblick in unberührte Natur des Kaukasus. Grobe Felsen umgeben ein Tal. Wir müssen vorsichtig sein, es geht über Geröll und lose Felsbrocken. Auch hier thront eine Kirche, gleicht einer Festung. Armenien hat die älteste apostolisch-christliche Staatskirche der Welt. Da ist es verständlich, dass es hier unzählige Gotteshäuser gibt. Ob es ein einsamer Hügel, ein winziges Dorf oder die Hauptstadt ist, eine Kirche ist überall dabei.
Dienstag, am 04.06. 2024 ist Erholung angesagt. Mit Gepäck für eine Übernachtung reisen wir in das etwa 100 km entfernte Dilidschan. Das ist ein bekannter Luftkurort mit Naturschutzgebiet und Nationalpark. Wir halten an Seen, besichtigen versteckte Klöster, entdecken uralte Bäume. Sie sind durch jahrhundertlanges Wachsen ausgehöhlt, so dass man hindurchsteigen kann. Dabei darf man sich etwas wünschen. Ob der Wunsch in Erfüllung geht? Die Natur ist wunderschön, grün, wasserreich und frische klare Luft.
Wir beziehen ein kleines Landhaus. Beim Rundgang durch den Ort Dilidschan fallen die Gebäude aus dem 19. Jahrhundert auf. Dichter und Komponisten sollen hier gearbeitet und sich erholt haben. Das Highlight des Tages ist eine Waldsafari. Wir fahren mit vier Jeeps durch dichte Wälder, unberührte Natur, berghoch, bergab, durch tiefe Pfützen.
Die Wirtsleute empfangen uns mit einem leckeren Abendessen. Es gibt Chorowaz, ein armenisches Nationalgericht. Mariniertes Fleisch wird auf große Spieße gesteckt und über glühenden Kohlen, ohne Flammen, gegrillt. Wir verweilen in geselliger Runde bis die Nacht anbricht. Morgen erwartet uns wieder etwas Spannendes.
Es geht noch höher ins Gebirge. Mit der Zipline zischen wir hinab ins Tal. Fünf Stationen absolvieren wir. Es ist keine Leichtigkeit, die längste Strecke ist fast ein Kilometer. Es macht einen riesigen Spaß durch die Baumkronen und Felsen zu fliegen. Herr Tischner kann sich leider nicht beteiligen. Er wiegt zehn Kilo zu viel. Die Preisfrage lautet, wieviel wiegt Herr Tischner?
Nach der Mittagspause mit Erholung begeben wir uns auf den Dilidschan Highway wieder Richtung Hauptstadt. Dort verabschieden wir uns am Platz der Republik vom nächtlichen Jerewan. Ein imposantes Spektakel von zahlreichen Wasserfontänen in farbigem Licht und klassischer Musik untermalt, lassen uns Gänsehaut spüren. Mit der 9. Sinfonie von Beethoven im Ohr, gehen wir auseinander.
Unser letzter Tag, der 06.06. 2024. Wir treten eine Exkursion zum Sevansee an. Hier verbringen die Armenier gern ihre Sommerurlaube. Auf dem Highway ist reichlich Verkehr. Viele Händler sind unterwegs. Am Wegesrand bieten sie ihre Waren an. Auf dem Steinhängen blitzen Obsidiane in der Sonne. Wir halten und dürfen ein solches „Souvenir“ aufsammeln.
Der Sevansee, auch blaue Perle genannt, ist in Sicht. Er ist einer der höchstgelegenen Seen der Welt und das größte Gewässer des Landes. Musikanten geben ihr Bestes und auf reichlichen Verkaufstischen präsentieren sich Schmuckstücke in allen Fantasien. Ein steiler Weg führt hinauf zur Aussichtsplattform. Steinmetze und Maler zeigen ihre Kunstwerke. Überall im Land gibt es Kreuzsteine. Hier fallen sie besonders auf. Von meisterlicher Hand sind die Ornamente in die Tuffsteine gemeißelt. Es gibt auch zahlreiche Legenden dazu. Kloster, Kreuzsteine und Badestrand, ist für uns eine ungewöhnliche Kombination. Es ist Zeit zum Verweilen und den Blick über den See zu genießen. Das Happy House erwartet uns. Mit Spiel, Spaß, einem Bad im Pool, gutem Essen und köstlichen Getränken nehmen wir Abschied, nicht nur vom Sevansee, sondern auch von Armenien, dem Land der Steine. Wir haben nicht gezählt, wie oft wir mit Steinen in Berührung kamen. Die Steine waren es, die uns zu vielen Sehenswürdigkeiten und reichlichen Erlebnissen geführt haben.
In Jerewan bleibt noch ein wenig Zeit zum Ausruhen, Koffer packen und etwas Schlaf.
03.00 Uhr treffen wir uns am Flughafen Zwartnots. Der Abschied ist mit gemischten Gefühlen. Es war eine einzigartige Reise mit vielen Eindrücken und tollen Gastgebern. Wir bedanken uns bei allen ganz herzlich. Ein besonderer Dank gilt der Deutschlehrerin Frau Jedigaryan , der Schulleiterin Frau Harutunyan und Herrn Tischner, nicht zuletzt den gastgebenden Familien.
04.45 Uhr hebt unser Flugzeug ab.
P.S. Pflegt diesen Schüleraustausch! Er gibt so viel an Wissen und Kultur des wunderschönen Landes Armenien. Die Reise könnte eine der schönsten Erlebnisse der Schulzeit werden.
Pauline Tischner und Amalia Dreisow
Laucha, den 10.06.2024